Wer ist C. G. Jung und warum spielt er auch in der Tiermedizin eine Rolle?
Als ich selbst noch praktizierender Tierarzt war, habe ich noch nie von C. G. Jung gehört, doch in meiner Ausbildung zum Managementtrainer habe ich mich intensiv mit ihm und seiner Arbeit beschäftigt. Eine der Grundaussagen des Schweizer Psychologen ist, dass wir Menschen eine verschiedene Art und Weise haben, wie wir die Welt wahrnehmen und Entscheidungen treffen, wie wir miteinander kommunizieren und wie sich das auswirkt. Auch in der Tiermedizin ist dies wichtig: sowohl im Team als auch mit den PatientenbesitzerInnen. Warum? Das zeige ich Ihnen in diesem Blog.
Meine Eltern sagten früher zu mir: „Junge, wenn du in die Welt gehst, dann behandle die Menschen so, wie du behandelt werden möchtest.“ Diese Aussage ist vielen auch als die „goldene Regel“ bekannt, doch im Grunde ist sie nicht ganz korrekt. Denn wir sollten Menschen vielmehr so behandeln, wie sie behandelt werden möchten. Dafür müssen wir unsere Mitmenschen kennen, wissen, wie sie die Welt wahrnehmen und kommunizieren. C. G. Jung bietet hier eine großartige Hilfe. Er hat die unterschiedlichen Typen in ein Vier-Farben-Modell unterteilt.
Das Vier-Farben-Modell – ein Beispiel
In der Praxis steht eine Besprechung auf dem Plan und die Mitarbeitenden kommen zusammen. Stefanie berichtet optimistisch und enthusiastisch von einer neuen kreativen Idee. Sabine nennt die Fakten, geht auf Pros und Kontras der neuen Idee ein. Elena ist zurückhaltend und meldet sich nur selten zu Wort und Markus ist begeistert und möchte am liebsten sofort loslegen. Elena bemerkt, dass Sabine noch nicht so überzeugt ist. Sabine ist noch skeptisch und möchte die Idee erst genau prüfen, bevor eine Entscheidung gefällt wird. Markus ist davon genervt, denn er ist der Meinung, dass bereits genug darüber gesprochen wurde und die Idee von Stefanie sofort umgesetzt werden soll, da alles andere nur unnötig Zeit kostet. Er ist ungeduldig und möchte sofort eine Entscheidung. Dem ein oder anderen kommt dieses Szenario bekannt vor. Was denken Sie: Sollte die Idee sofort umgesetzt werden oder wäre es besser, noch einmal alles sorgfältig zu prüfen? Hier gibt es keine richtige Antwort.
Es gibt kein falsches Verhalten, nur unterschiedliches
Wie in diesem Beispiel sehen wir selbst meist unser persönlich präferiertes Verhalten als richtig an, obwohl es kein richtig oder falsch gibt. Es gibt nur ein unterschiedlich. Je weiter unsere Ansichten von denen des Gegenübers entfernt sind, desto mehr nehmen wir seine Meinung oder sein Verhalten als komisch oder sogar falsch wahr. Jeder Mensch hat eine unterschiedliche Wahrnehmung und einen eigenen Blick auf die Welt, man kann auch sagen, dass wir alle anders ticken. Das ist der Grund, warum wir uns unterschiedlich verhalten und das Miteinander und die Kommunikation nicht immer einfach macht. Wir müssen verstehen, wie wir selbst und wie unser Gegenüber tickt – und hier bietet das 4-Farben-Modell von C. G. Jung eine gute Unterstützung.
Die vier Farbtypen nach C. G. Jung
Das Vier-Farben-Modell des Psychologen C. G. Jung beschäftigt sich mit den unterschiedlichen Verhaltenspräferenzen von Menschen und hilft uns dabei, uns selbst und andere besser zu verstehen. Dadurch können wir unsere eigenen Wahrnehmungs- und Verhaltenspräferenzen reflektieren und uns der Wirkung unseres eigenen Verhaltens auf andere bewusst werden. Zudem erkennen wir durch das Modell die Präferenzen des Gegenübers und können diese in unserem Handeln berücksichtigen. Das Modell zeigt zum einen die zwei Dimensionen „extravertiert“ und „introvertiert“ sowie die Dimensionen „rational“ und „emotional“. Extravertiert und introvertiert beschreibt die Art, wie wir auf unsere äußere und innere Erfahrungswelt reagieren. Introvertierte Menschen, wie Elena aus unserem Beispiel, verhalten sich ruhig, zurückhaltend, nachdenklich und beobachtend. Extravertierte Personen hingegen sind gesprächig, gesellig, auffällig und bringen sich ein. Die Dimensionen rational und emotional beschreiben die Art, wie wir unsere Entscheidungen treffen. Eine rationale Person trifft sachliche, fachlich überlegte Entscheidungen, wohingegen eine emotionale Person ihre Entscheidungen auf Basis von Gefühlen und beziehungsbezogen trifft. Anhand dieser Dimensionen ergeben sich vier übergeordnete Persönlichkeitstypen mit unterschiedlichen Verhaltenspräferenz. Im Modell von C. G. Jung werden ihnen die unterschiedlichen Farben rot, gelb, grün und blau zugeordnet. Je stärker eine Verhaltenspräferenz bei einer Person ausgeprägt ist, desto leichter lässt sie sich einer der Farben zuordnen. Generell gilt aber zu sagen, dass Menschen mehrere Farbanteile in sich tragen, aber meist lässt sich durch die typischen Verhaltensweisen die am stärksten ausgeprägte Farbe erkennen. Markus aus dem Beispiel ist ein roter Typ – er ist ein Macher und zeichnet sich durch eine hohe Zielorientierung aus. Er ist ebenfalls schnell entschlossen und wird ungeduldig, wenn es zu langsam vorangeht. Stefanie ist die Expressive oder Überzeugende. Sie ist ein gelber Typ und zeichnet sich durch Begeisterungsfähigkeit, Ideenreichtum und Offenheit aus. Elena ist durch ihre grüne Ausprägung ein Teamplayer, sie ist achtsam in ihren Äußerungen, sorgfältig und auf ein harmonisches Miteinander bedacht. Sabine ist die Analytikerin oder Denkerin und daher blau ausgeprägt. Diese Typen kennzeichnet eine hohe Aufgabenorientierung und Objektivität. Sabine ist äußerst nachdenklich, vorsichtig, ruhig und präzise.
Was bringt das 4-Farben-Modell in der Tiermedizin?
Sie haben durch unser Beispiel einen kleinen Einblick in die Verhaltenspräferenzen der vier Typen bekommen. Das ist jedoch nur ein kleiner Ausschnitt des Modells. Doch er zeigt, wie wichtig es ist zu verstehen, wie unser Gegenüber tickt. Wirklich erfolgreich sind Menschen nämlich erst dann, wenn sie andere Menschen verstehen. Das gilt auch für Tierärztinnen und Tierärzte. Natürlich wollen Sie gerne ein Tier behandeln und ihm helfen, denn das ist wahrscheinlich der Antrieb und der Grund, warum Sie diesen Beruf gewählt haben. Doch hinter jedem Tier steht auch ein Mensch – und der bezahlt am Ende des Tages die Rechnung. Demzufolge ist es wichtig, auch die Besitzerin oder den Besitzer dahinter zu erkennen. Das gleiche gilt für das Team, mit dem Sie Tag für Tag zusammenarbeiten. Wissen Sie, wie Ihre Mitarbeitenden ticken? Wenn Sie die unterschiedlichen Wahrnehmungs- und Verhaltenspräferenzen Ihres Teams und Ihrer KundInnen verstanden haben, dann haben Sie eine ganz neue Möglichkeit, die Kommunikation zum Erfolg zu machen.
Wollen Sie wissen, wie Sie und Ihr Team „gefärbt“ sind und wie Sie Verhaltenspräferenzen bei PatientenbesitzerInnen erkennen? Dann melden Sie sich gerne bei mir.