Das Vier-Farben-Modell in der Tiermedizin
Warum Tierärzte und Tierärztinnen C. G. Jung und sein Vier-Farben-Modell kennen sollten und welchen Nutzen es im Praxis- oder Klinikalttag hat, erläutert Dr. Peter-Nahne Jens.
In seiner Ausbildung zum Managementtrainer hat sich Dr. Peter-Nahne Jens intensiv mit C. G. Jung beschäftigt: „Als ich selbst noch praktizierender Tierarzt war, habe ich noch nie von ihm gehört. Doch ich kann allen Tierärztinnen und Tierärzten nur empfehlen, sich genauer mit dem Schweizer Psychologen und dem Vier-Farben-Modell zu beschäftigen.“ Eine der Grundaussagen von C. G. Jung sei, dass Menschen die Welt auf verschiedene Art und Weise wahrnehmen und dies ihre Entscheidungen und Kommunikation präge. Auch in der Tiermedizin treffen unterschiedliche Menschen aufeinander, ob es im Team sei oder auch die Besitzerinnen und Besitzer der Patienten. „Um die Kommunikation zu verbessern und das Miteinander gelingender zu gestalten, ist es wichtig, dass wir unsere Mitmenschen kennen, wissen, wie sie die Welt wahrnehmen und kommunizieren. C. G. Jung bietet hier eine großartige Hilfe. Er hat die unterschiedlichen Typen in ein Vier-Farben-Modell unterteilt“, informiert Dr. Peter-Nahne Jens.
Der ehemalige Landtierarzt kenne den Praxisalltag gut und wisse, wie es sei, wenn verschiedene Charaktere aufeinandertreffen. Um das Vier-Farben-Modell näher zu erläutern, bedient sich Dr. Peter-Nahne Jens eines praxisnahen Beispiels: In einer Praxis kommen die Mitarbeitenden zu einer Besprechung zusammen. Stefanie ist optimistisch und berichtet enthusiastisch von einer neuen, kreativen Idee. Sabine sind die Fakten wichtig, weshalb sie die Pros und Kontras der neuen Idee erläutert. Elena ist zurückhaltend und meldet sich nur selten zu Wort, während Markus begeistert ist und am liebsten die Idee sofort umsetzen möchte. Hier wird deutlich, wie unterschiedlich die Mitarbeitenden sind. Es geht damit weiter, dass Elena in ihrer beobachtenden Haltung wahrnimmt, dass Sabine noch nicht von der Idee überzeugt ist und erst alles genau prüfen möchte. Das wiederrum nervt Markus, denn in seiner Wahrnehmung wurde schon genug darüber gesprochen. TierärztInnen kennen dieses Szenario vermutlich aus dem eigenen Team und für das weitere Vorgehen gibt es kein richtig oder falsch, nur ein unterschiedlich, wie Dr. Peter-Nahne Jens betont. „Wie in diesem Beispiel sehen wir selbst meist unser persönlich präferiertes Verhalten als richtig an. Je weiter unsere Ansichten von denen des Gegenübers entfernt sind, desto mehr nehmen wir seine Meinung oder sein Verhalten als komisch oder sogar falsch wahr. Jeder Mensch hat eine unterschiedliche Wahrnehmung und einen eigenen Blick auf die Welt, man kann auch sagen, dass wir alle anders ticken.“ Die Unterschiede in der Wahrnehmung seien häufig der Grund, warum Kommunikation nicht immer einfach ist, und genau hier setze das Vier-Farben-Modell von C. G. Jung an.
Der Schweizer Psychologe beschäftigte sich mit den Verhaltenspräferenzen von Menschen und helfe dabei, andere besser zu verstehen. Zum einen unterstütze es dabei, die eigene Wahrnehmungs- und Verhaltenspräferenz und deren Wirkung zu reflektieren, zum anderen könne durch das Modell die Präferenz des Gegenübers besser eingeschätzt werden. „Das Modell zeigt zum einen die zwei Dimensionen ‚extravertiert‘ und ‚introvertiert‘ sowie die Dimensionen ‚rational‘ und ‚emotional‘“, erklärt Dr. Peter-Nahne Jens. Extravertiert und introvertiert beschreiben dabei die Art, wie man auf die äußere und innere Erfahrungswelt reagiere. Introvertierte Menschen seien ruhig, zurückhaltend, nachdenklich und nehmen eher eine beobachtende Haltung ein, während extravertierte Personen gesprächig, gesellig und auffällig seien und sich gerne einbringen. Die Dimensionen rational und emotional nehmen Bezug darauf, wie Entscheidungen getroffen werden. Dr. Peter-Nahne Jens ergänzt hierzu: „Eine rationale Person trifft sachliche, fachlich überlegte Entscheidungen, wohingegen eine emotionale Person ihre Entscheidungen auf Basis von Gefühlen und beziehungsbezogen trifft.“ Anhand dieser vier Dimensionen ließen sich nun vier übergeordnete Persönlichkeitstypen ableiten, die C. G. Jung in die Farben rot, gelb, grün und blau unterteilt. Generell habe jeder Mensch mehrere Farbanteile, aber meist steche eine Farbe besonders hervor.
Dieser kleine Einblick in das Vier-Farben-Modell zeige, wie wichtig es sei zu verstehen, dass jeder Mensch seine eigene Wahrnehmung habe und auf unterschiedliche Art und Weise kommuniziere und Entscheidungen träfe. „Wirklich erfolgreich sind Menschen erst dann, wenn sie andere Menschen verstehen. Das gilt auch für Tierärztinnen und Tierärzte“, betont Dr. Peter-Nahne Jens. Er wisse, dass die Intension der TierärtzInnen es sei, Tiere bestmöglich zu behandeln, doch es dürfe ebenfalls nicht außer Acht gelassen werden, dass hinter jedem Tier ein Mensch stehe, der am Ende für die Rechnung aufkomme. Infolgedessen sei es von Bedeutung, auch den Besitzer zu erkennen, beispielsweise, wenn dieser ein eher faktenorientierter Mensch sei, der genau wissen solle, was bei der Behandlung passiere. Im gleichen Maß gelte das auch für das eigene Team in der Praxis oder Klinik. „Wenn Tierärztinnen und Tierärzte die unterschiedlichen Wahrnehmungs- und Verhaltenspräferenzen ihres Teams und ihrer Kundinnen und Kunden verstanden haben, dann haben sie eine ganz neue Möglichkeit, die Kommunikation zum Erfolg zu machen“, so Dr. Peter-Nahne abschließend.